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Nichts ist sicher, außer dem Tod und dem Schnee des nächsten Winters

6 Nov

Illustration von Josi Mark

Wenn man zwölf Jahre alt ist, gibt es nichts Lebenslustigeres als das Bestehen von Abenteuern. Nur ist in diesem Alter – zumal in Mitteleuropa – die Bandbreite möglicher Abenteuer bereits ausgemessen: Alle Apfelbäume wurden erklommen. Die Versuche, einen Tunnel ins Nachbardorf zu graben, sind allesamt gescheitert. Wenigstens das selbtgebaute Floß aber hat vielleicht die Fahrt ans andere Ufer des Baggersees mit wehendem „Dorfbande-Segel“ gemeistert. Auf der Rückfahrt erst zerfiel es in seine Einzelteile. Mit dem Floß zerbrachen auch die Hoffnungen auf richtige Abenteuer – so wie bei Tom Sawyer und Huckleberry Finn.

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Beiläufige Liverpool-Betrachtung

14 Jun
“In Penny Lane there is a barber showing photographs
of every head he’s had the pleasure to know
and all the people that come and go stop and say hello
on the corner is a banker with a motorcar
the little children laugh at him behind his back
and the banker never wears a mack in the pouring rain very stranger
Penny Lane is in my ears and in my eyes
there beneath the blue suburban skies I sit and meanwhile back”

Das sangen die Beatles 1967 über eine Straße in ihrer Heimatstadt. Liverpool insgesamt hat wenig von dem Charme behalten, den die Pilzköpfe einst in Form ihrer lustigen Anekdotensammlung besangen. Weiterlesen

Back in the old days…

3 Apr

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Das soll kein Loblied auf die DDR werden. So viel steht fest. Fakt ist aber: Ich bin in diesem Land geboren und dort primärsozialisiert worden. Womit? Weniger mit Gewürzgurken, Pionierhalstuch und ATA als vielmehr mit Spielzeug. Auf einem Wochenendausflug nach Ilmenau konnte ich deswegen nicht widerstehen und habe das DDR-Spielzeug-„Museum“ besucht. Die Anführungsstriche haben ihre Berechtigung. Es handelt sich nicht unbedingt gleich um ein Museum, wenn jemand in einer Scheune verschiedenste Spielzeuge zusammenträgt und sie dort „ausstellt“. Auch hier wieder Anführungsstriche, denn zu einer Ausstellung gehört ebenso mehr als nur das Hinstellen von Dingen. Sei’s drum. Toll war es trotzdem, weil ich mit der materiellen Kultur meiner Kindheit nach 21 Jahren erstmal wieder in Berührung kam und ich den Mund gar nicht mehr zu bekommen habe vor lauter Staunen. So viele Dinge, die ich vergessen hatte, die mir aber einst sehr ans Herz gewachsen waren, türmten sich nur so vor mir auf. Deswegen an dieser Stelle ein paar Fotos von Gegenständen, die mich zurückversetzt haben in meine Neubaublock-DDR-Kindheit und in die Mitte meines Kinderzimmerteppichs. Vielleicht geht es dem einen oder der anderen Leser oder Leserin dieser Zeilen ebenso. Weiterlesen

Impressionen aus Tschechien Teil 1: Gedenkstätte Lidice

22 Aug

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Im Sommer 1942 ging die Welt unter in Lidice. Das Terrorregime der Nazis zeigte der tschechischen Zivilbevölkerung seine hässlichste Fratze. Nach dem erfolgreichen Attentat auf den „stellvertretenden Reichsprotektor von Böhmen und Mähren“ Reinhard Heydrich statuierten diese ein Exempel. Die Zivilbevölkerung sollte ‚erfahren‘, welche Folgen Attentate, Protestaktionen oder Boykotte gegen die Nazis haben.

Alle Männer wurden erschossen. Die Frauen in ein Konzentrationslager deportiert. Die Kinder in ein Jugendkonzentrationslager gebracht und vergast. Die Nazis löschten den Ort aus:  Nachdem sie alles niedergebrannt hatten, wurden alle Häuser eingerissen und der gesamte Ort eingeebnet. Lidice und seine Bewohner wurden vernichtet.

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Wenn man heute nach Lidice fährt, steht man auf einem Hügel. Im Rücken befindet sich das 2000 neu geschaffene Museum und das monströse sozialistische Denkmal. Vor einem wellt sich der Hügel einen seichten Abhang hinunter. Das Areal mutet im ersten Moment wie eine Parkanlage an – sauber und gepflegt. Leicht rechts versetzt steht die imposante Skulptur zum Gedenken der Kinder von Lidice, die verschiedene Künstler gemeinsam gestaltet haben. In der Senke, die sich am Fuße des seichten Abhangs abzeichnet, erkennt man an niedrigen Mauerüberresten die Kirche – neben einem kleinen Ausschnitt der Grundmauern des Gehöfts auf dem die Männer aus Lidice erschossen wurden die einzigen Überreste. Gemeinsam bilden diese Mauern steinerne Überbleibsel, die daran erinnern, dass hier mal ein böhmisches Dorf mit Dorfteich, Kirche, Schule, Dorfkneipe, Fleischerei, Bäckerei, Schmiede und vielen Bauerngehöften existierte. Weiterlesen